14. TriaTerra-Blog ZDF-Doku Terra Preta
Verfasst: Di 25. Sep 2012, 15:25
14. TriaTerra-Blog ZDF-Doku Terra Preta
Wie sagt man jemandem sanft: "Dein Leben, Deine Arbeit hat die Welt ein Stück schlechter gemacht. Tausende Nachfolgende Generationen werden es schwerer haben wegen Dir."
Ich wundere und freue mich sehr über das allgemeine Interesse an Terra Preta. Bauern, Doktoren und Professoren, Institute, selbst die Politik ein bisschen. Eine sehr ungewöhnliche begeisterte Aufnahme einer lebensfreundlichen Technologie. Terra Preta stellt fast alles in Frage was die Landwirtschaft in den letzten Jahrhunderten und besonders in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Plötzlich soll Humus wieder zentral sein, Dünger und Pflanzenschutzmittel gespart werden.
Sehr seltsam diese Begeisterung, aber schön, sehr schön. Danke!
Normal wäre: "Kennen wir nicht! Das kann gar nicht funktionieren! Das haben wir schon immer so gemacht!"
Normal ist die Kritik von Dr. Rainer Kluge an einer ZDF-Doku und an der Terra Preta-Aufregung.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... erra-Preta
http://www.novo-argumente.com/magazin.p ... 1169#_edn5
Herzlichen Dank an Dr. Rainer Kluge für diese Steilvorlage, mit der ich einige Fragen schön klarstellen kann.
Bevor ich auf die einzelnen Kritikpunkte von Dr. Kluge eingehe, möchte ich kurz das wirklich neue an Terra Preta in sechs Punkten aufzählen. Speziell unsere Boden- und Agrarprofis werden diese Punkte überraschen. Da brechen Welten zusammen und lieb gewonnene Sicherheiten und Regeln werden von Terra Preta in Frage gestellt.
Terra Preta bedeutet
1. Humusgehalte über 13 % im Oberboden, dauerhaft, in normalen nicht mit Wasser überstauten Böden.
2. Pflanzenkohle wirkt als Dauerhumus, der sich über Jahrtausende nicht abbaut. Speziell die Poren sind einzigartig und geschützter Lebensraum für Bakterien und Pilzkolonien. (siehe Bild unten)
3. Pflanzenkohle wirkt als Katalysator für Dauerhumus. Für jedes Kilo Pflanzenkohle werden mit den richtigen Mikroorganismen weitere 3 kg Kohlenstoff als Dauerhumus gebunden. (siehe Diagramm unten)
4. Pflanzenkohle muß aktiviert werden und reifen. Pflanzenkohle wird erst wirksam wenn sie mit Biofilmen aus Mikroorganismen überzogen ist. Der Biofilm/Biopelz leistet den Großteil der Nährstoff- und Wasserspeicherung.
5. Keine Nährstoffverluste mehr! Nährstoffe gehen nicht in Lösung sondern werden zuverlässig an Kohle, Humus und Biofilmen gebunden. Wurzeln nehmen die Nährstoffe präzise auf, vermittelt durch Mikroorganismen. Keine Grundwasserbelastung.
6. Kein Kalken mehr nötig, keine Bodenversauerung. Selbst leicht lösliche Mineralien wie Kalium, Kalzium, Magnesium werden zuverlässig gebunden und recycelt. Jahrtausende tropischer Regen haben Terra Preta nicht ausgewaschen.
Gehen wir die Kritikpunkte von Dr. Kluge an der ZDF-Dokumentation zu Terra Preta mal einzeln durch.
Kritik: Die gezeigten Riesen- Terra Preta-Früchten sind für Fachleute keine Überraschung sondern typisch für Überdüngung und gehen wahrscheinlich mit Nährstoffverlusten ins Grundwasser einher.
Antwort: Eine im alten Denkschema berechtigte Kritik und jeder Gärtner kann tatsächlich durch überhöhte Nährstoffgaben ähnliche Ergebnisse erzielen.
Das entscheidende an der Terra Preta ist aber, dass die Nährstoffe nicht gelöst vorliegen, sondern an Kohle, Dauerhumus und Biofilmen gebunden. Die Pflanzen nehmen die Nährstoffe vermittelt über Mikroorganismen präzise auf und können damit optimal ernährt werden ohne Verluste. Die tropischen Terra Preta-Böden zeigen das eindrücklich. Sie haben nach vielen Jahrhunderten gewaltiger Regenfälle immer noch einen neutralen pH-Wert und sind großzügig mit den leicht löslichen Kalzium, Magnesium und Kalium versorgt. Unser Agrarwissenschaftler zeigt hier, dass er das Terra Preta-Prinzip noch nicht verstanden hat.
Im Übrigen ist es gemein dem Fernsehen die Verwendung solcher Bilder zu verbieten. Als wenn man einem Kind das Spielzeug wegnimmt.
Kritik: Im Film wird von Dr. Jürgen Reckin falsch behauptet, dass die Humusgehalte in einigen Brandenburger Böden schon bis auf 0,1 % abgesunken sind und kompletter Bodenverlust möglich ist.
Antwort: Das scheint in der Tat etwas zu niedrig gegriffen zu sein. 1% sogar 0,5 % Humus sind auf vielen Brandenburger Sandböden keine Seltenheit aber 0,1 % ist höchstens stellenweise denkbar. Schon die Wurzeln einer einzigen Kultur würden den Anteil organischer Substanz weit über 0,1 % bringen.
Allerdings! Direkt um mein Dorf in Mecklenburg an der Grenze zu Brandenburg habe ich einige extrem humusarme Sandböden. Selbst geringe Regenfälle und minimales, kaum wahrnehmbares Gefälle reichen aus um Erosionsrinnen und Schwemmfächer zu bilden. In angrenzende Senken oder Bäche ergießt sich der Sandstrom. Der Bodenzusammenhalt ist hier völlig verloren gegangen. Kein Pilzmyzel, keine Lebendverbauung die den Boden stabilisiert. Ein echtes Jahrhundert-Regenereignis zum falschen Zeitpunkt würde hier in der Tat Böden weg spülen.
Kritik: Im Film wird falsch behauptet, dass die moderne Landwirtschaft Böden zerstört, Humus vernichtet und dass die Humusgehalte früher viel höher waren. Überhaupt ist die moderne Landwirtschaft zu Unrecht in Verruf. Es gibt doch Humusbilanzen eine gute Humussituation in Deutschland und die „gute fachliche Praxis“.
Antwort: Jetzt wird es kompliziert. Alles weitere bezieht sich auf diese Kritik.
Humus
Den Humusgehalt zu bestimmen ist ein Glücksspiel, selbst bei sorgfältigen Mischproben. Ein Meter weiter die Bodenprobe genommen und die Werte können um, das doppelte oder die Hälfte schwanken. Es gibt keine flächendeckende Erfassung der Humusgehalte oder Bodenqualitäten. Die Reichsbodenschätzung aus den 1930er bis 1960er Jahren war der letzte Versuch dazu. Die von Dr. Kluge zitierte vorgeschriebene Bodenuntersuchung ist sehr lückenhaft und grob, weil sie nur teilweise und schlagweise durchgeführt werden muss. Die Tabelle die Rainer Kluge zitiert ist trotzdem erst mal das Beste was wir haben.
Es gibt keine irgendwie verlässliche Aussage zur Entwicklung der Humusgehalte über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte, nur persönliche Lebenserfahrung und einzelne Versuchsflächen von Instituten. Humus ist nun mal dynamisch über die Jahreszeiten, über die Jahre, über die Fläche und über die Bodenhorizonte.
Alles in allem ist auf deutschen Äckern eine langsame, fortlaufende Abnahme der Humusgehalte wahrscheinlich. Wesentlicher Grund ist die Intensivierung der Landwirtschaft, sprich Mais, Raps, Getreide für Biogas und Biotreibstoffe. Biogas und Biotriebstoffe erhöhen den Druck auf die Äcker, vervielfachen die Landpreise und machen Stilllegung, Gründüngung oder Aufforstung unmöglich.
Man merkt schon so richtig wohl fühlt sich der Agrikulturchemiker mit Humus nicht. Dr. Kluge warnt mehrfach vor hohen Humusgehalten, weil er sich nur vorstellen kann, dass die durch viel zu viel Gülle, Mist oder Kompost entstehen und entsprechend Nährstoffe ins Grundwasser auswaschen. Stabile hohe Humusgehalte scheint er gar nicht zu kennen, weder ukrainische Schwarzerden (die durch hohe Kohleanteile auffallen), noch die vereinzelten Schwarzerden durch Plaggenwirtschaft (Verkohlung von Plaggen) oder die schwarzen Böden um alte Köhlerplätze.
Humusreiche Böden machen es einem modernen Landwirt auch schwer. Düngemittel wirken nur verzögert, weil der Boden puffert. Gifte/„Pflanzenschutzmittel“ werden zu schnell abgebaut und gebunden. Beim schließlich „unvermeidlichen“ Humusabbau werden die Nährstoffe ins Grundwasser gespült. Die moderne Landwirtschaft hat sich mit niedrigen Humusgehalten arrangiert und nennt einen Boden mit lächerlichen 4 % schon stark humos.
Früher waren die Böden besser?
Es sei den Machern der ZDF-Doku verziehen, dass sie nicht 10.000 Jahre Landnutzung und Bodenentwicklung aufrollen. Die einfache Aussage „Früher waren die Böden besser!“ ist definitiv falsch. Extremsituationen und gewaltige Bodenverluste hatten wir schon mal im 14. Jahrhundert und milder im 18. Jh.. Augen öffnend sind dazu die Arbeiten von Prof. Hans-Rudolf Bork vorgestellt in „Landschaften der Erde“. Im 14 Jh. war der Waldanteil in Deutschland auf 15 % gesunken (heute 31 %). Dazu kam der Getreideanbau der nach der Ernte die Böden nackt ließ. Nur mit Abholzung, Überweidung (besser Fehlbeweidung) und einem unangepassten Ackerbau schaffte es die mittelalterliche Gesellschaft das System zum Kippen zu bringen. Ausgeräumte, aufgeheizte Landschaften die kaum noch kühlten und verdunsteten, Dünenbildung, Wind und Wassererosion. (siehe Bild unten) Anfällig und ursächlich für extreme Wetterereignisse, speziell die bekannte Vb (fünf-b) Wetterlage. Im Juli 1342 kam der Jahrtausendregen und spülte nachweislich viele fruchtbare Äcker für immer fort. Metertiefe Erosionsrinnen und Massenverlagerung von Oberboden in wenigen Stunden. Äcker und Dörfer die aufgegeben wurden, Hungersnöte und schließlich die Pest, die die Bevölkerung in Europa um 30 bis 50 % reduzierte. Folgend die Hexenverbrennungen, die zum Ziel hatten die praktizierte Geburtenkontrolle auszurotten, damit genug neue Untertanen heran wachsen („Die Vernichtung der weisen Frauen“ Heinsohn).
Früher war nicht alles besser. Unsere Vorfahren gerade in Europa glänzen nicht durch nachhaltige Bodenbewirtschaftung. Schon die Römer verwüsteten den kompletten Mittelmeerraum durch Abholzung und Ackerbau ohne Düngung. Die Fruchtbarkeit der Äcker wurde damals durch die Kloaken Roms in den Tiber und ins Mittelmeer gespült.
Der einzige Grund warum wir in Mitteleuropa noch keine Wüste haben ist unser unendlich nachsichtiges Klimasystem. (siehe Bild unten) Hundert Mal haben wir alles falsch gemacht. Normalerweise ist nach zwei drei Fehlern Schluss, aber unser Boden und Klima geht einfach nicht kaputt und kommt immer wieder hoch.
Verrückte Landwirtschaft
In bester Tradition steht unsere verrückte Landwirtschaft. Der zerbrochene Kreislauf, Völkermord auf Raten. Alle Ernteprodukte die vom Menschen verzehrt werden landen, über unser Abwassersystem, in den Flüssen und schließlich im Meer. Ein kleiner Teil der Nährstoffe wird als Klärschlamm deponiert. Nur der winzigste Teil kommt als mikrobiologisch verseuchter Klärschlamm zurück auf die Äcker. Dafür kaufen wir auf der ganzen Welt die Nährstoffe zusammen, zerstören fremde Böden und beuten unwiederbringliche Ressourcen aus. Phosphor aus Marokko und von pazifischen Inseln, Kali aus heimischen Bergbau, Kalk aus unzähligen Kalksteinbrüchen, Stickstoff unter enormen Energieeinsatz im Haber-Boschverfahren. Dazu kommen noch jährlich viele Millionen Tonnen importierte Futtermittel (z.B Soja aus Brasilien mit garantierter Regenwaldzerstörung).
An Magnesium, Zink, Selen und vielen anderen Spurenelementen haben wir und unsere Böden schon Mangel. Die Hauptnährstoffe (N, P, K, Ca) düngen wir in der konventionellen Landwirtschaft aufwendig zurück. Die „Biolandwirtschaft“ tut noch nicht mal das. Offensichtlich kann nichts den Kreislauf ersetzen. Wie lange können wir unsere Böden noch in den Lokus spülen? 10 Jahre, 50 Jahre? Irgendwann, bald, ist Schluss! Verrückt!
Humusbilanz für Brüssel
Herr Dr. Kluge verweist auf die obligatorische Humusbilanz. Ein weiteres bürokratisches Monster der EU für unsere Landwirte. Wehe Dem der das falsche Kästchen ankreuzt. Was man draußen auf dem Acker macht, hat damit wenig zu tun. Die Schlupflöcher sind, wie immer, so groß wie Scheunentore. Griechische Bergbauern mit 5 Hektar (370 mm Niederschlag, sommertrocken) ostdeutsche Agrargenossenschaften auf Niedermooren und Sand mit 5000 Hektar (550 mm Niederschlag), Schleswig-Holsteinische Milchviehbauern auf Marschböden mit 200 Hektar (1000 mm Niederschlag). Alles über einen Kamm geschert, eine Regel für alle, eine Messlatte für Allgäuer Bergwiesen und die Brandenburger Sandbüchse. Ob das sinnvoll ist oder funktioniert ist egal. Hauptsache alles beugt sich einem Federstrich der Eurokraten. Diese superzentrale Steuerung der Landwirtschaft für ganz Europa ist absurd.
Steuerung und Ökologisierung der Land- und Forstwirtschaft kann nur auf Ebene der Gemeinden, Landkreise und im Ausnahmefall Bundesländer erfolgen. Die Menschen vor Ort kennen die Bedingungen, die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten. Sie fühlen unmittelbar den Segen und Schaden den sie bewirken. Die Menschen vor Ort können und müssen die Verantwortung übernehmen.
Fazit
Den Machern der ZDF-Doku über Terra Preta ist zu gratulieren. Praktisch keine fachlichen Fehler, bis auf den etwas überspitzten Wert von 0,1 % Humus für Brandenburger Sandböden und die Generalisierung, dass früher die Böden besser waren. Es werden lebenswichtige Themen angesprochen, die über die Zukunft der Menschen und unserer Gesellschaft entscheiden. Das man nicht alles gleich ertränkt in relativierenden Gegendarstellungen ist angenehm. Der Film stochert etwas unbeholfen in der Wunde der modernen Landwirtschaft, dem zerbrochenen Kreislauf. Man könnte den Finger noch genauer in die Wunde legen, aber es ist ein Anfang. Dass einige Vertreter der konventionellen Landwirtschaft beleidigt sind, ist schade. Sie haben uns von der Plackerei vergangener Jahrhunderte befreit. Die Erträge waren allerdings in alten Kulturen schon viel höher. Chinesische Polykultur hat 143 Menschen pro Hektar ernährt. Heute schaffen wir es vier Menschen je Hektar zu ernähren (siehe Bild unten).
Rainer Kluge und seine Kollegen sind gefordert die Absurdität der modernen Landwirtschaft zu überwinden und zukünftigen Generationen eine Chance zu geben.
Terra Preta ist tatsächlich etwas Neues und die schon lange bekannte Humuswirtschaft wird dadurch erst richtig wirksam. Terra Preta ist die einmalige Chance für die Vertreter der modernen Landwirtschaft ohne Gesichtsverlust aus der Sackgasse heraus zu kommen. Eine echte Humuswirtschaft und Kreislaufwirtschaft wird damit möglich.
Lassen Sie uns den Kreislauf schließen.
Wie sagt man jemandem sanft: "Dein Leben, Deine Arbeit hat die Welt ein Stück schlechter gemacht. Tausende Nachfolgende Generationen werden es schwerer haben wegen Dir."
Ich wundere und freue mich sehr über das allgemeine Interesse an Terra Preta. Bauern, Doktoren und Professoren, Institute, selbst die Politik ein bisschen. Eine sehr ungewöhnliche begeisterte Aufnahme einer lebensfreundlichen Technologie. Terra Preta stellt fast alles in Frage was die Landwirtschaft in den letzten Jahrhunderten und besonders in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Plötzlich soll Humus wieder zentral sein, Dünger und Pflanzenschutzmittel gespart werden.
Sehr seltsam diese Begeisterung, aber schön, sehr schön. Danke!
Normal wäre: "Kennen wir nicht! Das kann gar nicht funktionieren! Das haben wir schon immer so gemacht!"
Normal ist die Kritik von Dr. Rainer Kluge an einer ZDF-Doku und an der Terra Preta-Aufregung.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/ ... erra-Preta
http://www.novo-argumente.com/magazin.p ... 1169#_edn5
Herzlichen Dank an Dr. Rainer Kluge für diese Steilvorlage, mit der ich einige Fragen schön klarstellen kann.
Bevor ich auf die einzelnen Kritikpunkte von Dr. Kluge eingehe, möchte ich kurz das wirklich neue an Terra Preta in sechs Punkten aufzählen. Speziell unsere Boden- und Agrarprofis werden diese Punkte überraschen. Da brechen Welten zusammen und lieb gewonnene Sicherheiten und Regeln werden von Terra Preta in Frage gestellt.
Terra Preta bedeutet
1. Humusgehalte über 13 % im Oberboden, dauerhaft, in normalen nicht mit Wasser überstauten Böden.
2. Pflanzenkohle wirkt als Dauerhumus, der sich über Jahrtausende nicht abbaut. Speziell die Poren sind einzigartig und geschützter Lebensraum für Bakterien und Pilzkolonien. (siehe Bild unten)
3. Pflanzenkohle wirkt als Katalysator für Dauerhumus. Für jedes Kilo Pflanzenkohle werden mit den richtigen Mikroorganismen weitere 3 kg Kohlenstoff als Dauerhumus gebunden. (siehe Diagramm unten)
4. Pflanzenkohle muß aktiviert werden und reifen. Pflanzenkohle wird erst wirksam wenn sie mit Biofilmen aus Mikroorganismen überzogen ist. Der Biofilm/Biopelz leistet den Großteil der Nährstoff- und Wasserspeicherung.
5. Keine Nährstoffverluste mehr! Nährstoffe gehen nicht in Lösung sondern werden zuverlässig an Kohle, Humus und Biofilmen gebunden. Wurzeln nehmen die Nährstoffe präzise auf, vermittelt durch Mikroorganismen. Keine Grundwasserbelastung.
6. Kein Kalken mehr nötig, keine Bodenversauerung. Selbst leicht lösliche Mineralien wie Kalium, Kalzium, Magnesium werden zuverlässig gebunden und recycelt. Jahrtausende tropischer Regen haben Terra Preta nicht ausgewaschen.
Gehen wir die Kritikpunkte von Dr. Kluge an der ZDF-Dokumentation zu Terra Preta mal einzeln durch.
Kritik: Die gezeigten Riesen- Terra Preta-Früchten sind für Fachleute keine Überraschung sondern typisch für Überdüngung und gehen wahrscheinlich mit Nährstoffverlusten ins Grundwasser einher.
Antwort: Eine im alten Denkschema berechtigte Kritik und jeder Gärtner kann tatsächlich durch überhöhte Nährstoffgaben ähnliche Ergebnisse erzielen.
Das entscheidende an der Terra Preta ist aber, dass die Nährstoffe nicht gelöst vorliegen, sondern an Kohle, Dauerhumus und Biofilmen gebunden. Die Pflanzen nehmen die Nährstoffe vermittelt über Mikroorganismen präzise auf und können damit optimal ernährt werden ohne Verluste. Die tropischen Terra Preta-Böden zeigen das eindrücklich. Sie haben nach vielen Jahrhunderten gewaltiger Regenfälle immer noch einen neutralen pH-Wert und sind großzügig mit den leicht löslichen Kalzium, Magnesium und Kalium versorgt. Unser Agrarwissenschaftler zeigt hier, dass er das Terra Preta-Prinzip noch nicht verstanden hat.
Im Übrigen ist es gemein dem Fernsehen die Verwendung solcher Bilder zu verbieten. Als wenn man einem Kind das Spielzeug wegnimmt.
Kritik: Im Film wird von Dr. Jürgen Reckin falsch behauptet, dass die Humusgehalte in einigen Brandenburger Böden schon bis auf 0,1 % abgesunken sind und kompletter Bodenverlust möglich ist.
Antwort: Das scheint in der Tat etwas zu niedrig gegriffen zu sein. 1% sogar 0,5 % Humus sind auf vielen Brandenburger Sandböden keine Seltenheit aber 0,1 % ist höchstens stellenweise denkbar. Schon die Wurzeln einer einzigen Kultur würden den Anteil organischer Substanz weit über 0,1 % bringen.
Allerdings! Direkt um mein Dorf in Mecklenburg an der Grenze zu Brandenburg habe ich einige extrem humusarme Sandböden. Selbst geringe Regenfälle und minimales, kaum wahrnehmbares Gefälle reichen aus um Erosionsrinnen und Schwemmfächer zu bilden. In angrenzende Senken oder Bäche ergießt sich der Sandstrom. Der Bodenzusammenhalt ist hier völlig verloren gegangen. Kein Pilzmyzel, keine Lebendverbauung die den Boden stabilisiert. Ein echtes Jahrhundert-Regenereignis zum falschen Zeitpunkt würde hier in der Tat Böden weg spülen.
Kritik: Im Film wird falsch behauptet, dass die moderne Landwirtschaft Böden zerstört, Humus vernichtet und dass die Humusgehalte früher viel höher waren. Überhaupt ist die moderne Landwirtschaft zu Unrecht in Verruf. Es gibt doch Humusbilanzen eine gute Humussituation in Deutschland und die „gute fachliche Praxis“.
Antwort: Jetzt wird es kompliziert. Alles weitere bezieht sich auf diese Kritik.
Humus
Den Humusgehalt zu bestimmen ist ein Glücksspiel, selbst bei sorgfältigen Mischproben. Ein Meter weiter die Bodenprobe genommen und die Werte können um, das doppelte oder die Hälfte schwanken. Es gibt keine flächendeckende Erfassung der Humusgehalte oder Bodenqualitäten. Die Reichsbodenschätzung aus den 1930er bis 1960er Jahren war der letzte Versuch dazu. Die von Dr. Kluge zitierte vorgeschriebene Bodenuntersuchung ist sehr lückenhaft und grob, weil sie nur teilweise und schlagweise durchgeführt werden muss. Die Tabelle die Rainer Kluge zitiert ist trotzdem erst mal das Beste was wir haben.
Es gibt keine irgendwie verlässliche Aussage zur Entwicklung der Humusgehalte über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte, nur persönliche Lebenserfahrung und einzelne Versuchsflächen von Instituten. Humus ist nun mal dynamisch über die Jahreszeiten, über die Jahre, über die Fläche und über die Bodenhorizonte.
Alles in allem ist auf deutschen Äckern eine langsame, fortlaufende Abnahme der Humusgehalte wahrscheinlich. Wesentlicher Grund ist die Intensivierung der Landwirtschaft, sprich Mais, Raps, Getreide für Biogas und Biotreibstoffe. Biogas und Biotriebstoffe erhöhen den Druck auf die Äcker, vervielfachen die Landpreise und machen Stilllegung, Gründüngung oder Aufforstung unmöglich.
Man merkt schon so richtig wohl fühlt sich der Agrikulturchemiker mit Humus nicht. Dr. Kluge warnt mehrfach vor hohen Humusgehalten, weil er sich nur vorstellen kann, dass die durch viel zu viel Gülle, Mist oder Kompost entstehen und entsprechend Nährstoffe ins Grundwasser auswaschen. Stabile hohe Humusgehalte scheint er gar nicht zu kennen, weder ukrainische Schwarzerden (die durch hohe Kohleanteile auffallen), noch die vereinzelten Schwarzerden durch Plaggenwirtschaft (Verkohlung von Plaggen) oder die schwarzen Böden um alte Köhlerplätze.
Humusreiche Böden machen es einem modernen Landwirt auch schwer. Düngemittel wirken nur verzögert, weil der Boden puffert. Gifte/„Pflanzenschutzmittel“ werden zu schnell abgebaut und gebunden. Beim schließlich „unvermeidlichen“ Humusabbau werden die Nährstoffe ins Grundwasser gespült. Die moderne Landwirtschaft hat sich mit niedrigen Humusgehalten arrangiert und nennt einen Boden mit lächerlichen 4 % schon stark humos.
Früher waren die Böden besser?
Es sei den Machern der ZDF-Doku verziehen, dass sie nicht 10.000 Jahre Landnutzung und Bodenentwicklung aufrollen. Die einfache Aussage „Früher waren die Böden besser!“ ist definitiv falsch. Extremsituationen und gewaltige Bodenverluste hatten wir schon mal im 14. Jahrhundert und milder im 18. Jh.. Augen öffnend sind dazu die Arbeiten von Prof. Hans-Rudolf Bork vorgestellt in „Landschaften der Erde“. Im 14 Jh. war der Waldanteil in Deutschland auf 15 % gesunken (heute 31 %). Dazu kam der Getreideanbau der nach der Ernte die Böden nackt ließ. Nur mit Abholzung, Überweidung (besser Fehlbeweidung) und einem unangepassten Ackerbau schaffte es die mittelalterliche Gesellschaft das System zum Kippen zu bringen. Ausgeräumte, aufgeheizte Landschaften die kaum noch kühlten und verdunsteten, Dünenbildung, Wind und Wassererosion. (siehe Bild unten) Anfällig und ursächlich für extreme Wetterereignisse, speziell die bekannte Vb (fünf-b) Wetterlage. Im Juli 1342 kam der Jahrtausendregen und spülte nachweislich viele fruchtbare Äcker für immer fort. Metertiefe Erosionsrinnen und Massenverlagerung von Oberboden in wenigen Stunden. Äcker und Dörfer die aufgegeben wurden, Hungersnöte und schließlich die Pest, die die Bevölkerung in Europa um 30 bis 50 % reduzierte. Folgend die Hexenverbrennungen, die zum Ziel hatten die praktizierte Geburtenkontrolle auszurotten, damit genug neue Untertanen heran wachsen („Die Vernichtung der weisen Frauen“ Heinsohn).
Früher war nicht alles besser. Unsere Vorfahren gerade in Europa glänzen nicht durch nachhaltige Bodenbewirtschaftung. Schon die Römer verwüsteten den kompletten Mittelmeerraum durch Abholzung und Ackerbau ohne Düngung. Die Fruchtbarkeit der Äcker wurde damals durch die Kloaken Roms in den Tiber und ins Mittelmeer gespült.
Der einzige Grund warum wir in Mitteleuropa noch keine Wüste haben ist unser unendlich nachsichtiges Klimasystem. (siehe Bild unten) Hundert Mal haben wir alles falsch gemacht. Normalerweise ist nach zwei drei Fehlern Schluss, aber unser Boden und Klima geht einfach nicht kaputt und kommt immer wieder hoch.
Verrückte Landwirtschaft
In bester Tradition steht unsere verrückte Landwirtschaft. Der zerbrochene Kreislauf, Völkermord auf Raten. Alle Ernteprodukte die vom Menschen verzehrt werden landen, über unser Abwassersystem, in den Flüssen und schließlich im Meer. Ein kleiner Teil der Nährstoffe wird als Klärschlamm deponiert. Nur der winzigste Teil kommt als mikrobiologisch verseuchter Klärschlamm zurück auf die Äcker. Dafür kaufen wir auf der ganzen Welt die Nährstoffe zusammen, zerstören fremde Böden und beuten unwiederbringliche Ressourcen aus. Phosphor aus Marokko und von pazifischen Inseln, Kali aus heimischen Bergbau, Kalk aus unzähligen Kalksteinbrüchen, Stickstoff unter enormen Energieeinsatz im Haber-Boschverfahren. Dazu kommen noch jährlich viele Millionen Tonnen importierte Futtermittel (z.B Soja aus Brasilien mit garantierter Regenwaldzerstörung).
An Magnesium, Zink, Selen und vielen anderen Spurenelementen haben wir und unsere Böden schon Mangel. Die Hauptnährstoffe (N, P, K, Ca) düngen wir in der konventionellen Landwirtschaft aufwendig zurück. Die „Biolandwirtschaft“ tut noch nicht mal das. Offensichtlich kann nichts den Kreislauf ersetzen. Wie lange können wir unsere Böden noch in den Lokus spülen? 10 Jahre, 50 Jahre? Irgendwann, bald, ist Schluss! Verrückt!
Humusbilanz für Brüssel
Herr Dr. Kluge verweist auf die obligatorische Humusbilanz. Ein weiteres bürokratisches Monster der EU für unsere Landwirte. Wehe Dem der das falsche Kästchen ankreuzt. Was man draußen auf dem Acker macht, hat damit wenig zu tun. Die Schlupflöcher sind, wie immer, so groß wie Scheunentore. Griechische Bergbauern mit 5 Hektar (370 mm Niederschlag, sommertrocken) ostdeutsche Agrargenossenschaften auf Niedermooren und Sand mit 5000 Hektar (550 mm Niederschlag), Schleswig-Holsteinische Milchviehbauern auf Marschböden mit 200 Hektar (1000 mm Niederschlag). Alles über einen Kamm geschert, eine Regel für alle, eine Messlatte für Allgäuer Bergwiesen und die Brandenburger Sandbüchse. Ob das sinnvoll ist oder funktioniert ist egal. Hauptsache alles beugt sich einem Federstrich der Eurokraten. Diese superzentrale Steuerung der Landwirtschaft für ganz Europa ist absurd.
Steuerung und Ökologisierung der Land- und Forstwirtschaft kann nur auf Ebene der Gemeinden, Landkreise und im Ausnahmefall Bundesländer erfolgen. Die Menschen vor Ort kennen die Bedingungen, die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten. Sie fühlen unmittelbar den Segen und Schaden den sie bewirken. Die Menschen vor Ort können und müssen die Verantwortung übernehmen.
Fazit
Den Machern der ZDF-Doku über Terra Preta ist zu gratulieren. Praktisch keine fachlichen Fehler, bis auf den etwas überspitzten Wert von 0,1 % Humus für Brandenburger Sandböden und die Generalisierung, dass früher die Böden besser waren. Es werden lebenswichtige Themen angesprochen, die über die Zukunft der Menschen und unserer Gesellschaft entscheiden. Das man nicht alles gleich ertränkt in relativierenden Gegendarstellungen ist angenehm. Der Film stochert etwas unbeholfen in der Wunde der modernen Landwirtschaft, dem zerbrochenen Kreislauf. Man könnte den Finger noch genauer in die Wunde legen, aber es ist ein Anfang. Dass einige Vertreter der konventionellen Landwirtschaft beleidigt sind, ist schade. Sie haben uns von der Plackerei vergangener Jahrhunderte befreit. Die Erträge waren allerdings in alten Kulturen schon viel höher. Chinesische Polykultur hat 143 Menschen pro Hektar ernährt. Heute schaffen wir es vier Menschen je Hektar zu ernähren (siehe Bild unten).
Rainer Kluge und seine Kollegen sind gefordert die Absurdität der modernen Landwirtschaft zu überwinden und zukünftigen Generationen eine Chance zu geben.
Terra Preta ist tatsächlich etwas Neues und die schon lange bekannte Humuswirtschaft wird dadurch erst richtig wirksam. Terra Preta ist die einmalige Chance für die Vertreter der modernen Landwirtschaft ohne Gesichtsverlust aus der Sackgasse heraus zu kommen. Eine echte Humuswirtschaft und Kreislaufwirtschaft wird damit möglich.
Lassen Sie uns den Kreislauf schließen.